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Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe
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Nitride
    


Nitride, Nitridometallate und verwandte Verbindungen

Dr. Peter Höhn



 

Auch nach den positiven Entwicklungen der letzten Jahre bleibt die Untersuchung von Strukturen und Eigenschaften von Nitriden und Nitridometallaten ein rasch wachsendes Gebiet der Festkörperchemie. Im Vergleich zu der Vielzahl von Oxo-, Thio- sowie höheren Pniktidverbindungen ist immer noch recht wenig über die entsprechenden Nitride bekannt [1]. Dies ist auch auf die beiden folgenden Gründe zurückzuführen: zum einen sind Nitride aufgrund der hohen Bindungsenergie von molekularem Stickstoff (941 kJ/mol) sowie der ungünstigen Elektronenaffinität (N –> N3- + 2300 kJ/mol) thermodynamisch weniger stabil als vergleichbare Oxide, zum anderen ist die Darstellung vieler Nitride und Nitridometallate experimentell recht anspruchsvoll. Viele Ausgangsstoffe wie Reaktionsprodukte sind luft- und feuchtigkeitsempfindlich, die Temperaturbereiche, in denen Verbindungsbildung stattfindet, sind sehr klein, und gerade in niedervalenten Systemen spielt auch der N2-Partialdruck im System eine entscheidende Rolle bei der Verbindungsbildung.

Neben der Untersuchung neuer multinärer Systeme steht die Herstellung phasenreiner Proben für physikalische Messungen im Vordergrund unserer Forschung. Hierzu werden auch neue Reaktionswege gezielt entwickelt und erprobt. Neben bewährten Darstellungsverfahren wie der „klassischen“ Festkörperreaktion (binäre Nitride + Metalle + Stickstoff) werden auch innovative Ansätze wie die Synthese über intermetallische Precursoren und Stickstoff oder Ammoniak, Niedertemperaturverfahren mit Soft-Chemistry-Charakter, Spark-Plasma-Sintering (SPS) oder tiegelfreie Verfahren wie Levitationsschmelzen auch bei erhöhten Drücken verfolgt.

Kristallchemische Charakteristika von Nitridometallaten, die in der Regel im Stickstoff-Überschuß dargestellt werden, lassen sich am einfachsten über Koordinationszahl und Oxidationsstufe des Zentralatoms im Nitridometallat-Anion [MNx]y- klassifizieren. Entspricht M einem frühen Übergangsmetall, so werden in der Regel hohe Oxidationsstufen und Koordinationszahlen von 4-6 beobachtet, während späte Übergangsmetalle niedere Oxidationsstufen (0-1.17) und lineare Koordination durch N aufweisen. Unsere Untersuchungen zur Verbindungsbildung in den Systemen EA-TE-N(-C) (Carbide und Carbometallate RE-TE-C) und zur Stabilisierung niederer Valenzzustände von Übergangsmetallen, insbesondere bei Cobalt und Nickel, zeigen eine große Vielfalt neuer Verbindungen. So wurde z. B. mit der Kristallstruktur von Ba9Ca[Co2N3]3 eine komplexe Defektvariante der Perowskit-Struktur gefunden: Ba9(CaCo62)(N918) (Abb. 1).

Abbildung 1. Der hierarchische Aufbau der Kristallstruktur von Ba9Ca[Co2N3]3 (Ba: rot, Ca: orange, Co: türkis, N: grün) basiert auf NCa6-Oktaedern (oben links), die über [Co2N3]-Einheiten (oben rechts) miteinander verknüpft sind und so große Würfel formen (Mitte). Die Barium-Spezies (rote Kugeln rote Quadrate) vervollständigen unter Bildung einer schwach verzerrten, kubisch primitiven Anordnung von Ba die oktaedrische Koordination von N. Die trigonale Elementarzelle (schwarz, unten) generiert drei interpenetrierende Netzwerke äquivalenter Würfel (rot, grün, blau).

Unter reduzierenden Bedingungen reagieren binäre Nitride mit verschiedenen Metallen nicht zu Nitridometallaten, sondern zu Nitrid-Metalliden, in denen in einer Matrix eines binären (Sub-)Nitrids die Metallatome in die verfügbaren Hohlräume eingelagert sind (Abb. 2).

Abbildung 2. Die Kristallstruktur von (Ca7N4)[Mx] [2]. (Ca7N4)-Matrix in Polyederdarstellung; die Zuordnung von of Ca2+ (orange) und Ca1.5+ (rot) ist hervorgehoben. [Mx]-Ketten werden durch schwarze zylindrische Stäbe innerhalb der Kanäle dargestellt. Tabelle: Gitterparameter (Raumgruppe Pbam) und Besetzung x für (Ca7N4)[Mx].

Weiterhin werden in den untersuchten Systemen bei gleichzeitiger Gegenwart von Kohlenstoff in Abhängigkeit von den Bedingungen im Reaktor auch Nitrido-Cyano-Metallate („reduzierende“ Ar-Atmosphäre) oder Nitridometallat-Carbodiimide (oxidierende N2-Atmosphäre) gebildet, in denen [TEN2]5- Hanteln neben [CN2]2- Ionen vorliegen. Diese können sowohl in geordneter Weise verteilt sein [3], als auch gemeinsame Positionen im Sinne von Substitution besetzen (Abb. 3).

Abbildung 3. Oben: Quaternäre Verbindungen im System Sr-Ni-C-N [4]. Unter reduzierenden Bedingungen entstehen Nitrido-cyano-nickelate(0), während in oxidierenden Atmosphären Nitridometallat-Cyanamide erhalten werden. Unten: Die in diesen Verbindungen enthaltenen komplexen Anionen und die unterschiedlichen Stickstoff-Spezies (bunte Kreise).

Als selektive Sonde zur Untersuchung der unterschiedlichen Stickstoff-Spezies in Nitriden und Nitridometallaten lassen sich – mit Eingeschränkungen – IR- und Raman-Spektroskopie einsetzen; für 15N-angereicherte Proben bietet sich dagegen die 15N-MAS-NMR-Spektroskopie an. Bei unseren Untersuchungen an verschiedenen binären Nitriden als Referenzverbindungen gelang uns die Darstellung einer neuen metastabilen Modifikation von Ca3N2 (Abb. 4).

Abbildung 4. Links: Die Kristallstruktur von ß-Ca3N2 [5]. Elementarzelle und Koordinationssphären (Oktaeder) um N sind hervorgehoben. Rechts: Reaktionsbedingungen für die Synthese binärer Nitride aus den Elementen und Umwandlungen zwischen den binären Phasen im System Ca-N.

Die Kristallstrukturen der Nitride und Nitridometallate werden in der Regel über Röntgenbeugungsexperimente an Pulvern und Einkristallen bestimmt; Aussagen zu Oxidationszahlen und Bindungszuständen werden durch röntgenabsorptionsspektroskopische Untersuchungen (XAS) und entsprechende Rechnungen (ELI-D, QTAIM) abgeleitet. Noch immer sind die physikalischen Eigenschaften vieler ternärer Nitride und Nitridometallate nur unzureichend untersucht; die bereits vorhandenen Daten geben jedoch zur Hoffnung Anlass, dass in naher Zukunft neue und interessante optische, elektrische, elektronische und magnetische Eigenschaften in diesen Verbindungen entdeckt werden können.

Zuletzt geändert am 24. Juli 2009 Druckversion         Top
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